22 x Psalm 119Beispiel

Trotziges Bibellesen

„Jetzt erst recht!“ hört man den Psalmbeter förmlich sagen. In mehrfacher Hinsicht ist er ein trotziger Bibelleser: Innerlich niedergeschlagen und von außen in Bedrängnis sucht er Halt in den Worten Gottes. Wie oft fällt uns in diesen Situationen alles Mögliche ein, aber eben nicht Gottes Wort, die Bibel? Erstaunlicherweise liest der Psalmist in dieser Lage nicht die uns so geläufigen erbaulichen Verse, die uns Zuspruch geben wie Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte ...“ oder Jesaja 43,1: „Fürchte dich nicht, Ich habe dich erlöst ...“ - das sind ja dann meistens unsere ersten Adressen für Trost. Nein, er sucht Halt in den Ordnungen Gottes. Warum ist ihm das so wichtig? Ganz einfach: weil er in seinem Rechtsstreit falsch liegen könnte. Auch Gläubige neigen dazu, Trost bei Gott zu suchen, obwohl sie selbst im Unrecht sind. Darum will der Psalmbeter gerade in dieser heiklen Situation genau wissen, was von Gott her richtig ist - nicht, um die anderen damit zu überführen, sondern um selbst festen Stand zu bekommen. So erstaunlich es für manche klingen mag: Man kann in den Weisungen und Mahnungen Gottes durchaus Halt, Trost und Stärkung finden. Warum sind wir oft so misstrauisch gegenüber den Geboten Gottes?

Gerd Voss